Ein unvergessliche Reise

Diesen Herbsturlaub in Spanien werde ich so schnell nicht vergessen. Alles war geplant wie immer: Flug nach Malaga, diesmal von Köln aus, ein paar Tage chillen an der Carihuela und dann zurück nach Hause. Was anders war als sonst: die Wetterprognose für Spanien war schon vergleichsweise schlecht. Für Malaga waren am Ankunftstag Sturm und Starkregen angesagt. Na prima, dafür reist man/ frau ganz sicher nach Spanien! Ok, hier bleiben war ja auch keine Option. Die Sturmprognose wurde in Laufe des Vormittages wieder ein bisschen reduziert, die Starkregenwarnung blieb.

Am Nachmittag startete der Flug von Köln nach Malaga, ich flog mit der bekannten irischen Fluggesellschaft mit dem große R. Der dreistündige Flug verlief bereits relativ rumpelig, es gab etliche Turbulenzen und offensichtlich auch reichlich Gegenwind, denn schon beim Anflug auf Malaga hatten wir 10 oder 15 Minuten Verspätung.

Und der Sturm hatte sich nicht an die etwas mildere Prognose gehalten. Schon beim Anflug über das Mittelmeer konnte man den mächtigen Wellengang dort unten erkennen. Da unten war mächtig was los. Als der Flieger tiefer ging, schüttelte es uns mächtig in sämtliche Richtungen. Links, rechts, auf und ab… Ich klammerte mich an den Sitz und dachte: „So kommen wir doch nicht heile runter!“

Der Pilot war ganz meiner Meinung. Er startete durch und wir drehten noch eine Runde über Malaga. Dann kam eine Durchsage über den Bordfunk: der Sturm über Malaga sei derzeit unberechenbar, wir müssten deshalb einen anderen Flughafen ansteuern, um landen zu können. Wir erfuhren aber nicht, welchen. Alle hofften auf Cordoba, das wäre der nächstgelegene. Aber da war es genauso stürmisch, sagte später meine Wetter-App.

Wir waren insgesamt schon eine Stunde länger in der Luft, als es endlich runter ging. Erst nach den Landung erfuhren wir, wo wir sind: in SEVILLA. Mehr als 200 km von Malaga entfernt. Na ja, was soll‘s, Hauptsache, wir waren heile wieder unten. Wir sollten mit Bussen nach Malaga weiter transportiert werden. Und vermutlich waren wir nicht die einzigen, die an diesem Abend nicht in Malaga landen konnten.

Ryanair stellte zwei blutjunge Mädels als Betreuerinnen, die das Trüppchen der umgeleiteten Fluggäste zusammenzuhalten, bis die Busse bereitstanden. Das dauerte noch eine ganze Stunde. Gegen 21 Uhr waren wir, auf drei Reisebusse verteilt, endlich unterwegs in Richtung Malaga. Inzwischen hatte ich auch schon mit allen gechattet, die es interessierte, ob ich gut gelandet war. Mit Familie und FreundInnen, mit der Vermieterin meiner Ferienwohnung, die auf mich wartete. Mit meiner Freundin in Montemar, mit der ich an der Carihuela zum Abendessen verabredet war.

Daraus würde nichts werden. Wir rechneten noch mit 2 ½ bis 3 Stunden Fahrt. Das passte auch, bis kurz vor Malaga. Wir hatten die Lichter der Stadt schon in Sicht und konnten auch sehen, dass der Flughafen wieder angeflogen wurde, als unser Bus ca. 20 km vor Malaga zu stehen kam. Ich hoffe, dass nur unser Bus kaputt ging, von den anderen beiden habe ich nichts mehr erfahren.

Wir standen in stockfinsterer Nacht in einem stockdunklen Bus auf einer Talbrücke in den Bergen vor Malaga. Ich hatte einen Fensterplatz rechts außen und konnte dort an der Leitplanke vorbei direkt in einen finsteren Abgrund schauen. Das war unser zweite Chance, an diesem Abend kurz vor Malaga abzustürzen. Wenn irgendein LKW den dunklen Bus nicht rechtzeitig mitbekam und uns rammte, würden wir dort runter fliegen. Dann gute Nacht, für uns alle… Ich bemühte mich, nicht mehr dort runter zu gucken, bekam die Angst aber natürlich nicht mehr aus dem Kopf.

Immerhin ging dann im Bus, der einen Elektrik-Schaden hatte, wenigstens die Innenbeleuchtung an. Der Busfahrer war mehr als hilflos. Er hatte ein Smartphone dabei, aber mit leerem Akku. Jemand von den Mitreisenden lieh ihm eine Powerbank, damit er wenigstens Bescheid sagen konnte. Das Warndreieck aufstellen oder den Bus anderweitig absichern konnte er nicht, denn diese Utensilien lagen im Gepäckraum und der ließ sich wegen der leeren Bus-Batterie nicht mehr öffnen.

Ziemlich schnell kam dann ein Ersatzbus, der hinter uns parkte. Wir stiegen um, leider ohne unsere Koffer. Denn der verschlossene Gepäckraum blieb hartnäckig – zu. Mehrere Männer versuchten zu helfen – „Das kann ja wohl nicht so schwer sein!“ – aber sie kamen unverrichteter Dinge zurück. Wir standen vor der Wahl, jetzt ohne Gepäck weiter nach Malaga zu fahren oder beim Gepäck im defekten Bus zu bleiben, ohne zu wissen, wann und wie es weiter geht.

Ich entschied mich für Weiterfahrt ohne Koffer, obwohl mir klar war, dass ich den Koffer damit aufs Spiel setzte. Ich war nur mit Handgepäck geflogen, mit einem kleinen Rucksack und einem kleinen Rollkoffer. Der hatte deshalb keine Gepäcknummer erhalten. Ob ich den jemals wiedersehen würde? Den Rucksack hatte ich bei mir, da waren die wichtigsten und die teuersten Ding alle drin. Der Verlust des Koffers würde mich schmerzen, aber nicht umbringen.

Kurz vor 24 Uhr kamen wir dann mit dem Ersatzbus am Flughafen Malaga an. Natürlich war um diese Zeit offiziell niemand mehr erreichbar, weder vom Flughafen noch von Ryanair. Wir warteten als Grüppchen noch fast eine Stunde in der Flughafen-Halle, ob es noch eine offizielle Betreuung gibt, aber es kam nichts mehr. Wir waren inzwischen auch hungrig und durstig, denn Verpflegung hatten die geizigen Iren natürlich auch nicht rausgerückt. Das Grüppchen der Mitreisenden begann sich zu zerstreuen…

Ich musste dann also am nächsten Morgen weiter nach meinem Koffer fahnden und machte mich auf den Weg zum Taxistand. Der Vermieterin meiner Ferienwohnung schrieb ich, ich wäre nun gleich da, spätestens in einer halben Stunde. Sie wollte dann passend rüber kommen und mich mitten in der Nacht noch reinlassen. Das fand ich schon mal super von ihr!

Als ich mich dem Taxistand näherte, traf mich fast der Schlag. Dort stand eine schier endlose Schlange, so was hatte ich dort noch nie gesehen! Ich konnte es kaum glauben, aber vermutlich waren an diesem Abend sehr viele Fluggäste verspätet in Malaga angekommen. Die öffentlichen Verkehrsmittel fuhren um diese Zeit nicht mehr, alle waren jetzt aufs Taxi angewiesen.
Schicksalsergeben stellte ich mich hinten an. Die Schlange begann direkt an der Flughafentür. Raus aus dem Flughafen, rein in die Schlange. Vor mit standen – gefühlt – ca. 500 Leute. Auch ganz alte, die erschöpft auf Rollatoren oder Gepäckwagen saßen. Oder Familien mit kleinen Kindern, die – wenn sie Glück hatten – auch bereits erschöpft auf dem Gepäckwagen schliefen.

Meine Vermieterin fragte, wo ich denn bliebe, es sei doch gar nicht so weit mit dem Taxi. War es auch nicht, ca. 15 km, aber zum Laufen in der Nacht dann doch zu weit. Ich schickte ihr ein Foto von der Taxischlange und die Nachricht: „Das kann noch dauern!“ Sie verstand und wollte warten. Es dauerte noch 1 ½ Stunde, bis ich schließlich im Taxi saß. Meine Schätzung mit den 500 Leuten vor mir kam ganz gut hin. Denn die Taxis fuhren wirklich im Sekundentakt von der Haltestelle ab. Wenn aller 15 bis 20 Sekunden eins davon abfuhr und im Durchschnitt zwei Leute beförderte, dann kamen 6 bis 8 Leute pro Minute vom Flughafen weg. Ich wartete 90 Minuten lang, d. h. 500 Menschen könnten das durchaus gewesen sein vor mir. Oder auch mehr 700, ich weiß es nicht wirklich.

Nachts kurz vor 3 Uhr checkte ich endlich in der Ferienwohnung ein. Ich war der Vermieterin unendlich dankbar für ihre Geduld. Wir hielten den Check-In ganz kurz, sie wollte ja auch endlich nach Hause. Ich ging noch kurz unter die Dusche, musste dann aber zurück in die gebrauchte Unterwäsche und konnte endlich ins Bett. Was für eine Reise! Gut, dass ich endlich am Ziel war!

Am nächsten Morgen begann ich einen ziemlich endlosen, aber letztendlich erfolglosen Chat mit Ryanair. Anfangs hatte ich sogar das Gefühl, die wissen sogar, worum es geht, als ich die Situation um meinen vermissten Handgepäck-Koffer ohne Gepäcknummer schilderte. Sie würden sich bei mir melden, ich würde eine Textnachricht bekommen. Klang gut, es kam aber nix. Aber ich ging erstmal einigermaßen entspannt ein paar der nötigsten Klamotten kaufen. Etwas Unterwäsche und ein paar leichte Sachen für das Spätsommerwetter an der Costa del Sol. Zum Glück kann man an der Carihuela gut einkaufen, es gibt mehr als genug Läden mit Klamotten in allen Preisklassen.

Das war am Freitag und es war mir klar, dass am Wochenende wahrscheinlich nicht allzu viel mehr passiert. Am Samstagmorgen chattete ich noch mal mit Ryanair, beendete den Chat aber mit sehr viel mehr Ernüchterung als am Vortag. Der Chatpartner war viel unfreundlicher als am Vortag und ohne Gepäcknummer lief irgendwie gar nichts. Ich versuchte es noch mal per Mail bei einer anderen Serviceadresse und bekam eine Links zu separaten Formularen zugeschickt. Erstes Pflichtfeld: Gepäcknummer??? Mist!!! So langsam begann ich, mich endgültig von meinem Koffer zu verabschieden.
Es waren ein paar wenige Sachen drin gewesen, die ich echt vermissen würde, z. B. meine Sonnenbrille mit den Sehstärke-Gläsern. Ansonsten aber auch Schlabber-Klamotten nur für den Strand, die ich sowieso immer nur für den Spanien-Urlaub herausholte. Die hatte ich eh‘ schon neu gekauft. Medikamente waren auch drin, aber meine Blutdruck-Tabletten konnte ich rezeptfrei und für kleines Geld in der spanischen Apotheke nachkaufen.

Es gab also keinen wirklichen Grund, mir die paar Urlaubstage vermiesen zu lassen, der Verlust des Koffers würde mich nicht umbringen. Im Rucksack waren die wirklich teuren und wichtigen Sachen gewesen. Geld, Dokumente, Laptop, Smartphone, E-Book-Reader, Ladekabel. Die Kosmetika, die man bei der Sicherheitskontrolle vorzeigen muss. Ich war heilfroh, dass ich nach der Sicherheitskontrolle nicht den Laptop umgepackt hatte in den Koffer. Kurz hatte ich darüber nachgedacht, aus Gewichtsgründen. Dann wäre das gute Stück jetzt auch weg gewesen, das wäre wirklich richtig teuer geworden.

Nun war es halt, wie es war. Die wenigen Urlaubstage ließen sich auch in den neu gekauften Klamotten gut rumbringen. Das Urlaubswetter war etwas wechselhaft, aber die wärmeren Klamotten hatte ich ja angehabt und die Regenjacke war ebenfalls im Rucksack gewesen. Am Montag war schon der letzte ganze Urlaubstag, am Dienstagmittag musste ich mich schon auf den Rückweg machen. Auch am Montag hörte ich nichts von Ryanair – nicht, dass ich damit nicht gerechnet hätte. Also kaufte ich am Montagabend auch noch einen neuen Koffer und füllte ihn mit meinen neuen Einkäufen.

Am Dienstag ging es dann zurück. Der Rückflug verlief zum Glück ganz unspektakulär. Für diesmal hatte ich echt genug Aufregung gehabt. Mittlerweile bin ich mir sicher, dass ich im nächsten Jahr wieder hin fliegen will an die Carihuela. Das ist für mich einfach der perfekte Ort für einen Kurzurlaub. Aber voraussichtlich fliege ich nicht wieder im Herbst hin. Keine Herbststürme, keine Flugumleitungen. Hoffentlich!!!

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