Eine alte Geschichte: Wie ich mal ein Auto verkaufte

Vor kurzem hat mich der TÜV mal wieder von meinem Auto getrennt bzw. waren es die drohenden, immensen Werkstattkosten dafür. Das ist normalerweise das reguläre Ende der gemeinsamen Geschichte von meinen fahrbaren Untersätzen und mir. Ich suche mir immer gute Gebrauchte und fahre sie, bis sie wirklich „auf“ sind. Mein schwarzer X-Trail war schon 20 Jahre alt – von denen ich ihn 10 Jahre lang gefahren hatte – als sich riesige Rostlöcher auftaten und die Reparaturkosten ebenfalls zu schwarzen Löchern zu werden drohten. Das Beitragsbild ist unser Abschiedsfoto, danach ging er für einen überschaubaren Betrag zurück an das Autohaus, bei dem ich nun einen neuen Gebrauchten gekauft habe. Aber um den kleinen Schwarzen geht es hier gar nicht, das war ja eine „normale“ Autogeschichte für mich.

Vor vielen Jahren hatte ich mir einen schönen, grauen, mittelalten Nissan Sunny gekauft. Der war das erste Auto, mit dem ich eventuell mal mein Pony Bonsai transportieren konnte, in einem geliehenen Pferdeanhänger. Die Dinger durften damals 1.500 kg ziehen, das ist allerdings fast 30 Jahre her. Heute sind die Grenzen hier etwas niedriger geworden. Vorher hatte ich einen Nissan Micra gefahren, der kam schon damals für sowas nicht infrage. Aber Pferdeleute brauchen meist auch etwas größere Autos, das lernte ich damals gerade.

Deshalb der Nissan Sunny, das war das nächstgrößere Modell nach dem Micra. Ich hatte einen guten Gebrauchten gekauft – zumindest glaubte ich das – für gefühlt auch gutes Geld. Bei einem großen Autohaus, das auch viele Gebrauchte im Angebot hatte. Aber der Sunny war kein Schnäppchen, sondern er war ein Unglücksauto. Ständig hatte er irgendwas und immer war es teuer.
Kupplung, Lichtmaschine und diverse andere teure Teil musste ich in den ersten anderthalb Jahren nach dem Kauf austauschen lassen. Natürlich fiel nichts davon unter die „Gebrauchtwagen-Garantie“. Warum hatte ich danach überhaupt gefragt? Man lachte mich fast aus am Telefon des Autohauses und ich fühlte mit etwas verarscht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das Auto dort keine Vorgeschichte gehabt hatte und sie von den ganzen Vorschäden nichts wussten. Machen konnte ich leider nichts.

Kurze Zeit nach der letzten teuren Reparatur fiel mir schon wieder was Beunruhigendes an meinem Sunny auf: wenn das Auto warmgelaufen war und wir mit laufendem Motor wartend an einer Ampel standen, kamen aus einer Stelle an der Motorhaube ganz kleine Rauchwölkchen. Nicht viel und ich musste schon ganz genau hinschauen. Es wurde auch nicht schlimmer, aber es ging auch nicht weg. Also fuhr ich mal wieder in die Werkstatt. Sie hörten mir zu, behielten das Auto einen Tag da und teilten mir dann mit, dass eine kleine Dichtung defekt sei und das Auto kleine Mengen Öl in die Lichtmaschine bekäme. Dort verbrennt das Öl dann und erzeugt dieses kleine Rauchfähnchen. Kurzfristig kein Problem, langfristig müsste ich das aber reparieren lassen. Zuerst die gute Nachricht: die Dichtung koste nur ein paar Cent. Dann die schlechte: zum Tausch müsse man das Auto fast komplett auseinandernehmen. Und wieder zusammenbauen natürlich. Kosten mehrere hundert DM, nahe an der Tausender-Grenze.

Genau zu dieser Zeit hatte mein Auto auch so ein Kärtchen an der Windschutzscheibe: „Wenn Sie dieses Auto verkaufen wollen, rufen Sie diese Nummer an!“ An dieser Stelle verlor ich die Geduld mit meinem grauen Unglücksauto und beschloss, ihn wirklich zu verkaufen. Zum ersten Mal wollte ich mich vorfristig von einem Auto trennen, das eigentlich noch ganz gut in Schuss war und gut aussah. Zumindest wenn man nichts von der nächsten anstehenden Reparatur wusste. Ich hatte allerdings auch nicht vor, dieses Wissen dem nächsten Autohändler gleich auf dem Tablett zu servieren. Denn ich war mir sicher, dass das Autohaus, bei dem ich den Sunny damals gekauft hatte, mir auch nicht alles erzählt hatte. Ich fühlte mich betrogen und wollte nun beim Verkauf auch mal an MEINEN Vorteil denken. Zumindest wollte ich es versuchen.

Ich rief also die Nummer auf dem Kärtchen an und vereinbarte einen Termin. Der Aufkäufer kam direkt zum Parkplatz meines Autos und schaute sich den Wagen an. Der Sunny war optisch gut in Schuss, er war ein Diesel und hatte noch gar nicht so viele Kilometer auf der Uhr. Ein durchaus attraktives Auto für einen Export nach Bahrein. Denn dort sollte es hingegen, wenn wir uns einig wurden. Der Aufkäufer mit dem fremdländischen Namen erzählte, er kaufe Autos für seinen Bruder, der sie dann nach Nordafrika verfrachtete. Prima, dann wäre das Unglücksauto wirklich weit genug weg!

Natürlich fuhr er das Auto auch eine kleine Runde zu Probe, aber das Rauchfähnchen bemerkte er dabei nicht. Zufrieden kamen beide wieder auf dem Parkplatz an. Ich nannte ihm meinen Wunschpreis, ich glaube, ich startete mit 2.500 DM. Wenigstens 2.000 wollte ich am Ende herausschlagen. Der Bruder vom Autohändler war offensichtlich noch kein Vollprofi, denn er schluckte nur kurz und akzeptierte dann meinen Preis. Auch Autohändler fangen wohl mal klein an.

Allerdings merkte er dann auch an, so viel Bargeld habe er leider nicht dabei. Mehr als 1.800 DM habe er nicht mitgenommen. Aber er wohne nur ein paar Kilometer entfernt, in Coerde. Und wenn ich ihn mit dem Sunny dorthin hinterher führe, bekäme ich mein Restgeld und er würde mich dann zurück bringen. Gesagt, getan, so tuckerten wir dann Richtung Coerde. Er in seinem Auto und ich in meinen (noch) Sunny.

Mein Unglücksauto gab zum Abschied noch mal alles, denn auf dem letzten Kilometer kurz vor Coerde gingen auf dem Armaturenbrett auf einmal alle Lampen an. Alle – wie wirklich ALLE! Das Auto leuchtete innen wie ein Weihnachtsbaum. Dabei fuhr es ganz normal weiter und es war auch kein Rauch in Sicht. Was zum Geier bedeutete da nun wieder??? Zum Glück erreichten wir nach kurzer Zeit das Ziel und ich konnte parken und aussteigen. Tschüss, auf Nimmerwiedersehen!

Ich beschloss, von dem unerwarteten Lichtspektakel lieber nichts zu erzählen, mein Geld zu nehmen und dann schnell zu verschwinden. Daraus jedoch wurde nichts. Denn als ich von dem Aufkäufer das restliche Geld erhalten und ihm Schlüssel und Papiere übergeben hatte, strahlte er mich treuherzig an und sagte: „Und nun fahre ich Sie mit meinem neuen Auto nach Hause“ und zeigte auf den Sunny.

Mir rutschte das Herz in die Hose! So ein Mist, dachte ich und beichtete erstmal ganz schnell das unerwartete Lichtereignis auf unseren letzten gemeinsamen Metern. Ich stellte mich dabei möglichst dumm, klimperte mit den Wimpern, so gut ich konnte und hoffte, er würde mir die dusselige Blondine abnehmen. Ob es daran lag oder ob er wirklich so cool war, er reagierte jedenfalls entspannt: ältere Diesel hätten das schon mal, da müsse man nur mal kurz da Fernlicht anmachen, dann wäre das Lichtspektakel wieder weg.

Tatsächlich funktionierte dieser Trick. Zumindest anfangs, beim ersten Mal konnte er die Lichtshow mit dem Einschalten des Fernlichts tatsächlich stoppen. Dann jedoch kam sie wieder und blieb. Egal, was er mit dem Fernlicht machte. Mein ehemaliges Auto leuchtete wieder wie ein Weihnachtsbaum, als wir nach Gelmer abbogen.

Sein neuer Besitzer sagte jedoch nichts dazu, verabschiedet sich und fuhr davon. Bliebt auch nicht irgendwo in Sichtweite liegen, denn als ich später zu dem Pferden ging, äugte ich ängstlich nach liegengebliebenen Autos oder wütenden Arabern oben auf dem Schifffahrter Damm. Noch ein paar Tage lang machte ich mir Sorgen, dass ich nachträglich Ärger bekommen würde.

Aber es passierte nichts. Hätte der Aufkäufer in den nächsten Tagen erbost bei mir angerufen, hätte ich ihm anstandslos sein Geld zurück gegeben und das Unglücksauto zurück genommen. Doch er rief nicht an. Stattdessen musste ich ihn nach zwei Wochen daran erinnern, dass er das Fahrzeug noch nicht wie vereinbart abgemeldet hatte. Auch da sagte er nichts, stattdessen entschuldigte er sich und meldete das Auto endlich um oder ab.

„Ok, du hattest deine Chance“, dachte ich und legte die Sache auch gedanklich ad acta. Schwor mir aber, falls ich noch mal ein Auto vor der definitiven Schrottreife verkaufen würde, dann auch alles zu erzählen, was ich weiß. Auch wenn das finanziell ziemlich doof sein sollte, es ist auf jeden Fall besser für das Nervenkostüm. Zumindest meins.

Erstmal jedoch warte ich ab, ob so was noch mal vorkommt. Nach dem Sunny kamen ein Nissan Primera, ein Subaru Legacy und der Nissan X-Trail. Alle drei gingen nach 8 … 10 Jahren nur noch zu Schrottpreis von mir, der zumindest mir keinerlei schlechtes Gewissen mehr machte. Jetzt fahre ich einen weißen Nissan Qashqai und ich hoffe wieder auf eine lange, gemeinsame Geschichte 🙂

2 thoughts on “Eine alte Geschichte: Wie ich mal ein Auto verkaufte

  1. Was für eine herrliche Geschichte!
    Jedenfalls im Nachhinein. Mit wütenden Arabern ist nicht zu spassen.

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